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Studentische Stellungnahme zum Politischen Aktivismus von Prof. Dr. Stefan Homburg

  1. Es ist inakzeptabel, dass Professor Homburg weiterhin die Lehrverantwortung für Studierende trägt
  2. Die Leibniz Universität ist gefordert, Schritte zu prüfen, die eine weitere Verquickung von universitärem Amt und verschwörungsideologischem Aktivismus unterbinden
  3. Um in Zukunft ähnlichen Entwicklungen kompetent begegnen zu können, braucht es dringend eine an der Universität Hannover angesiedelte Forschungsstelle zum Thema Verschwörungsmythen. Zur Überbrückung dieser Leerstelle braucht es aktuell Bildungsveranstaltungen, die gemeinsam von Universität und Studierenden getragen werden.

Seit einigen Wochen verfolgen wir mit wachsendem Unmut und Entsetzen die Rolle, die der Professor und Institutsdirektor für Öffentliche Finanzen an der LUH, Stefan Homburg, in der verschwörungsideologischen Bewegung gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie spielt.

Zunächst als vermeintlich seriöser Mahner im Angesicht der Maßnahmen wahrgenommen, die er als „Lockdown“ bezeichnet, scheint die Aufmerksamkeit des verschwörungsideologischen Spektrums rund um KenFM, Attila Hildmann und andere Narzissten, den renommierten Professor so sehr beeindruckt zu haben, dass er rhetorisch und argumentativ auf deren Linie eingeschwenkt ist. Es reichte ihm nunmehr nicht, weiterhin seine fragwürdigen und fachfremden Interpretationen von Zahlen und Maßnahmen zum Besten zu geben, sondern er bedient nun auf seinem Twitteraccount, neben falschen Darstellungen zu epidemiologischen Maßnahmen, auch klassisch-rechtsextreme Verschwörungstheorien, wie ein angebliches „Demogeld für die Antifa“.

Mag das noch etwas amüsant klingen, wird der Professor aber spätestens bei der Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gefährlich. In bester ‚Truther‘1-Manier ist alles nicht so wie es scheint und die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sind eigentlich nur ein ausgefeilter Plan der „Eliten“ für … ja was eigentlich? Denn hier wird der Professor nicht konkret, sondern beschränkt sich auf ein Raunen gegen jene ‚Klasse‘, der er als finanzpolitischer Berater diverser Regierungen seit vielen Jahren angehört. Mit mehr als diesem Raunen würde er sich wahrscheinlich auch in einen strafrechtlich relevanten Bereich begeben, wobei seine Verharmlosungen des Nationalsozialismus schon eine inakzeptable Gratwanderung darstellen – so etwa, wenn er twittert, dass es 1933 noch keine Lager gegeben hätte und damit die Existenz der frühen nationalsozialistischen Konzentrationslager leugnet. Die Politik der Bundes- und Landesregierungen zur Eindämmung der Pandemie bezeichnet er als faschistisch, während er sich selbst mit diversen, tatsächlichen Faschist*innen umgibt und ihre Ideen reproduziert. In dieses Bild passen auch seine früheren Auftritte auf AfD-Parteitagen.

Dies alles tut er nicht etwa ausschließlich als Privatperson, sondern er nutzt bewusst die Leitungsfunktion in seinem Institut für seinen verschwörungstheoretischen Aktivismus, indem er etwa seine (Rede-)Beiträge und Artikel zur Thematik dort bewirbt. Im Gegenzug verweist er aktuell kritische Studierende aus seinen Onlineseminaren und macht in diesem Zuge Werbung für seinen Twitteraccount. Und selbst aus wissenschaftlichen Gründen muss die akademische Unfähigkeit eines wirtschaftswissenschaftlichen Professors im Umgang mit Zahlen doch erschrecken.

Wir halten es aus den genannten Gründen für inakzeptabel, dieser Person weiterhin die Lehrverantwortung für Studierende anzuvertrauen.

Der Glaube an Verschwörungsmythen, die nur allzu gerne Theorien wären, ist für eine wachsende Anzahl von Menschen attraktiv. Ob es die Rothschilds, George Soros oder nun eben Bill Gates sind – irgendeine konkrete Person muss scheinbar die Schuld an dem Übel der Welt tragen. Waren die Rothschilds und George Soros als jüdische Verschwörer und Drahtzieher offensichtlich eine antisemitische Wahnfantasie, so ist der Antisemitismus bei dem Geraune über Bill Gates, die WHO und geheime Pläne ‚der Eliten‘ weniger explizit.

Festzuhalten bleibt spätestens seit dem Auftreten Stefan Homburgs auf den aktuellen ‚Hygienedemos‘, wie sie verharmlosend bezeichnet werden, dass es sich bei derartigen Vorstellungen keineswegs um randständige Positionen handelt. Was macht diese Positionen so attraktiv? Die Forschung zu Verschwörungsideologien zeigt, dass insbesondere Krisensituationen den Drang, sich die komplexen abstrakten Geschehnisse möglichst vereinfacht als Verschwörung einzelner Strippenzieher vorzustellen, erhöhen. Angesichts einer ökonomischen und sozialen Krise, an deren Anfang wir uns erst befinden, muss diesbezüglich pessimistisch in die Zukunft geschaut werden.

Bei Stefan Homburg ist zudem ein Zusammenhang zu seinem Fachgebiet nicht zu übergehen, sind seine Positionen doch nur allzu gut im Einklang mit marktradikalen Ansichten, die gerne individuelle Schicksale gegen wirtschaftliche Verluste aufrechnen und somit bereit sind, Menschenleben für die Ökonomie zu opfern.

Lippenbekenntnisse und inhaltslose Stellungnahmen werden Verschwörungsdenken und Antisemitismus nicht zurückdrängen.Die Universität Hannover scheint keine angebrachte Antwort auf das fragwürdige Engagement ihres Professors zu haben. Um in Zukunft ähnlichen Entwicklungen kompetent begegnen zu können, braucht es dringend eine an der Universität Hannover angesiedelte Forschungsstelle zum Thema Verschwörungsmythen. Eine solche Forschungsstelle bietet die Möglichkeit, über die individuelle und kollektive Genese dieser Ideologie aufzuklären und Gegenstrategien zu entwickeln. Zur Überbrückung dieser Leerstelle braucht es aktuell Bildungsveranstaltungen, die gemeinsam von Universität und Studierenden getragen werden.

Vom Präsidium der LUH erwarten wir eine deutliche, öffentliche Positionierung, die eine weitere Verquickung von universitärem Amt und verschwörungsideologischem Aktivismus unterbindet.

Wir alle sind jedoch gefordert, Verschwörungsideolog*innen entschieden entgegen zu treten – ob in Universitäten oder auf der Straße.

Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA)

AStA Findungsphasenkollektiv

FSR Elektrotechnik und Informatik

FSR Philosophische Fakultät

FSR Bauingenieurwesen und Geodäsie

FSR Archland (Architektur und Landschaftsbau)

FSR Naturwissenschaften

FR Pflanzenwissenschaften

FR Philosophie

FR Deutsch und Darstellendes Spiel

FR Laum (Landschaftsarchitektur und Umweltplanung)

Archifachschaft (Architektur)

Studierendenrat Geschichte

FR Sozialwissenschaften

FR Geographie

YXK/JXK

Offene Linke Liste

Campusgrün Hannover

SDS Hochschulgruppe

Juso Hochschulgruppe

Die Liste

Students for Future Hannover

Elchkeller

(die Liste der Unterzeichnenden wird weiterhin aktualisiert)

Weiterführende Links und Informationen zur Causa

haz.de „Studenten protestieren gegen Homburg – und fliegen aus der Online-Vorlesung“ (23.5.20)

www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uni-Hannover-Studenten-protestieren-gegen-Homburg-und-fliegen-aus-der-Vorlesung

correctiv.org „Die Dagegen-Lobbyisten“ (20.5.20)

correctiv.org/aktuelles/gesundheit/corona-report-2/2020/05/20/die-dagegen-lobbyisten

sueddeutsche.de „Prof. Dr. Verschwörung” (14.5.20)

www.sueddeutsche.de/wirtschaft/corona-verschwoerung-stefan-homburg-1.4906380

correctiv.org „Faktencheck zu Stefan Homburg: Warum seine Argumente zur Reproduktionszahl des Coronavirus zu kurz greifen“ (22.4.20)

correctiv.org/faktencheck/2020/04/22/faktencheck-zu-stefan-homburg-warum-seine-argumente-zur-reproduktionszahl-des-coronavirus-zu-kurz-greifen

1Als Truther (von engl. truth: die Wahrheit) bezeichnen sich verschiedene Gruppen und Personen, die glauben, von Regierungen, Behörden und/oder Massenmedien systematisch fehlinformiert oder belogen zu werden. Bekannteste Mythen aus diesem Spektrum kursieren zu den Anschlägen vom 11. September 2001.