unisex – Hochschultage zum Geschlechterverhältnis und darüber hinaus 2014

 

Vom 25.11. bis 05.12.2014 finden an der Universität Hannover wieder die „Hochschultage zum Geschlechterverhältnis und darüber hinaus“ statt.

Sie werden von den Sachbearbeiter_innenstellen Frauen- und Geschlechterpolitik und Schwulenpolitik des AStA ausgerichtet. Das Programm soll Studierenden die Möglichkeit geben, sich mit den verschiedenen Bereichen innerhalb dieses Themenkomplexes auseinanderzusetzen, unabhängig davon, ob sie sich mit den Inhalten schon beschäftigt haben oder neu in dem Thema sind.
Besonders unter dem Aspekt der Abschaffung der Gender Studies an unserer Universität möchten wir mit unserer Veranstaltungsreihe diesen Raum bieten.

Hier das diesjährige Programm:

Dienstag 25.11.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 um 19 Uhr

„Verhandlungen, Verantwortung, Vertrauen im BDSM“

Vortrag mit Louzie

Spätestens seitdem „50 Shades of Grey“ die Bestsellerlisten erobert hat, ist das Thema BDSM im gesellschaftlichen Mainstream angekommen. Sinnes- und Bewegungseinschränkungen wie Fesseln und Augen verbinden, das Spiel mit Macht und Unterwerfung, sowie das gezielte Zufügen und Empfangen von Schmerzen zur Steigerung des Lustgewinns haben den Ruch des Perversen, möglicherweise sogar Krankhaften, weit gehend verloren und werden immer selbstverständlich als Erweiterung des gesellschaftlich akzeptierten Repertoires sexueller Praktiken gesehen. Zumindest, solange das Ganze nicht zu „extrem“ wird! Diese Abgrenzung bleibt wichtig, um sich der eigenen Normalität versichern zu können, und die Trennlinie zwischen „normal“ einerseits und „extrem/pervers“ andererseits wird oft zwischen den (heterosexuellen) 2er-Praktiken im eigenen Schlafzimmer und der organisierten BDSM-„Szene“ mit ihren Spielparties, Gruppenspielen und der wenigstens teilweisen Verwischung der Begehrensgrenzen (homo-/heterosexuell) gezogen. Dabei gäbe es von „der Szene“ durchaus einiges zu lernen. Der Grundsatz „safe, sane, and consensual“ (sicher, bei klarem/vollem Bewusstsein und einvernehmlich) ist seit Jahrzehnten ausformulierte Basis für das Praktizieren von BDSM in der „Szene“. Dazu wurden eine ganze Reihe von Werkzeugen entwickelt, die so illustre Namen tragen wie Vorverhandlung, Einchecken oder Aftercare. All diese Praxen bauen auf der Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Prinzip aktiver Zustimmung auf. Im Workshop möchte ich diese Formen der Kommunikation genauer vorstellen. Dabei interessiert mich vor allem die Frage nach Gründen für aktive Kommunikation, von der abgeleitet die Frage nach Formen und Themen entsteht (warum, wie, worüber). Ziel ist es, ein größeres Bewusstsein über die Notwendigkeit, aber auch die Potenziale von aktiver Kommunikation im Rahmen von BDSM-Spielen zu vermitteln und den Teilnehmer_innen Hinweise, Tipps und „Werkzeuge“ zur Kommunikation mitzugeben, die auch allgemein, über das spezifische Verhandeln von BDSM-Spielen hinaus, sinnvoll und hilfreich sind.

 

Mittwoch 26.11.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 um 18 Uhr

Was sind Männer? Was sind Frauen?

Vortrag mit Birgit Riegraf

Das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit arbeitet mit der Unterstellungen, Frauen seien ´weiblich´ und Männer seien ´männlich´. Diese Unterstellungen sind im Alltagsbewusstsein tief verankert und werden im Alltagshandeln aufrechterhalten. Die Vorstellungen von ´Männlichkeit´ und ´Weiblichkeit´ sind dabei historisch durchaus variabel. Im Bereich der Arbeit lässt sich der Prozess der Vergeschlechtlichung leicht nachvollziehen: Arbeit gilt in unserer Gesellschaft entweder als männlich oder als weiblich, entweder als Männerarbeit oder als Frauenarbeit. Die soziale Konstruktion des Geschlechts von Arbeit ist allerdings keineswegs selbstverständlich, sondern ist selbst ein Stück ´Arbeit´, das immer wieder neu geleistet werden muss und das immer wieder neu die Geschlechterdifferenz als alltagsweltlich plausible Erscheinungsform der Geschlechterhierarchie hervorbringt.
In dem Vortrag wird dem Prozess der Herstellung von Zweigeschlechtlichkeit und seiner politischen und gesellschaftlichen Relevanz nachgegangen.

 

Donnerstag 27.11.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 18 Uhr

„Zum Verhältnis von Klasse und Geschlecht: Besuch auf einer Baustelle.“

Vortrag mit Gudrun-Axeli Knapp

Unter dem Kürzel „Intersektionalität“ bildet seit einigen Jahren die Frage nach dem Zusammenwirken unterschiedlicher Formen von Ungleichheit und Diskriminierung ein Zentrum der feministischen Theorie und Forschung. Den klassischen Fokus dieser Forschungsrichtung bildet die aus dem us-amerikanischen Black Feminism stammende Triade von Race, Class und Gender. Im Gegensatz zur rhetorischen Präsenz des Begriffs der Klasse in der Intersektionalitätsdiskussion steht jedoch seine faktische Marginalität. Der Vortrag beleuchtet diese Leerstelle indem er Schlaglichter auf das Feld einer Auseinandersetzung wirft, die in den 1970er Jahren eröffnet wurde, ab 1990 mit dem Cultural Turn und dem Bedeutungsverlust historisch-materialistischer Ansätze jedoch verebbte. Heute stellen sich die Fragen nach dem Vermittlungszusammenhang von Class und Gender, von Kapital- und Geschlechterverhältnis mit neuer Dringlichkeit. Grund genug, noch einmal an frühere einschlägige Debatten und weiterführende Ansätze zu erinnern.

 

Freitag 28.11.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 um 19 Uhr

„Wandel der Normen“

Vortrag mit Heinz-Jürgen Voss

Geschlechter- und sexuelle Verhältnisse wandeln sich. In der Merseburger Studie „Partner 4“ zur Sexualität ostdeutscher Jugendlicher zeigt sich etwa, dass die Masturbationserfahrungen bei den befragten jugendlichen Mädchen und jungen Frauen deutlich angestiegen ist – von 17% im Jahr 1980 auf 66% im Jahr 2013. Die „Pille danach“ verfügt über zunehmende Akzeptanz unter den Jugendlichen, gleich welchen Geschlechts – war sie 1990 bei 26% der Jugendlichen akzeptiert, ist dies 2013 bei 66% der Fall. Auch Homosexualität ist akzeptierter. In diesem Sinne lassen sich Veränderungen konstatieren, die es zu beschreiben lohnt. Auch mit Begriffen wie dem der „Neosexualitäten“ werden Veränderungen der Lebensweisen skizziert – bei Betonung der pluralisierenden Komponente.

Man könnte aber auch anders fragen: Die „Homo-Ehe“ ist, so wichtig und willkommen sie ist, wo sie nun da ist, auch ein wichtiger „Herzschrittmacher“ und Stabilisator für das konservative Modell Ehe, das von der Frauen-/Lesbenbewegung doch eigentlich als patriarchalisch kritisiert wurde und abgeschafft werden sollte. Gleichzeitig wird nun deutlicher, wie sich Lesben und Schwule auch (in größerem Maße) an Ausschlüssen beteiligen: Der Begriff „Homonationalismus“ ist hierfür mittlerweile geläufig. Gleichzeitig führt der Einschluss einiger Schwuler und Lesben, die in Paarbeziehungen leben, auch zu neuen Ausschlüssen. Die Sprecherin des Lesbenring Jutta Oesterle-Schwerin zeigte 1991 die Gefahren für Schwule auf: Es handle sich bei dem „staatlichen Integrationsangebot“ an die Schwulen um „einen Versuch, schwules Leben zu domestizieren und es im Zeitalter von AIDS in geordnete Bahnen zu lenken“. Zukünftig würden dann möglicherweise nur die Schwulen, die mit Heirat „eine gewisse Stetigkeit“ versprächen (mehr) toleriert, die anderen hingegen „als ‚besonders gefährlich‘ diskriminiert und verfolgt“. (Oesterle-Schwerin, Jutta (1991): Assimilation oder Emanzipation? In: Laabs, Klaus (Hg.): Lesben. Schwule. Standesamt. Die Debatte um die Homoehe. Berlin: CH. Links Verlag. S. 28-38.)

Die Entwicklungen lassen sich nicht einfach als „Pluralisierung“ beschreiben, vielmehr gilt es zukünftig die teils widersprüchlichen Vorgänge gleichermaßen in Betrachtungen einzubeziehen. Und es gilt nicht nur auf die dominant gewordenen Modelle zu schauen, sondern auch auf die alternativ vorgeschlagenen, wie die Modelle der „Wahlverwandtschaft“ in der BRD, die seit Beginn der 1990er Jahre diskutiert, schließlich vom 1999 in Frankreich beschlossenen Pacte Civil de Solidarité (PACS, dt. ziviler Solidaritätsvertrag) inspiriert waren.

Im Input eröffnet Heinz-Jürgen Voß einige Perspektiven – als Anreiz zur intensiven Diskussion.

 

Sonntag 30.11.2014 Schneiderberg 50 Raum V110 um 20 Uhr

„Fabulous! The Story of Queer Cinema“

Filmabend

Directors: Lisa Ades, Lesli Klainberg

A chronological look at films by, for, or about (or „by, for, and about“) gays and lesbians in the United States, from 1947 to 2005, Kenneth Anger’s „Fireworks“ to „Brokeback Mountain.“ Talking heads, anchored by critic and scholar B. Ruby Rich, are interspersed with an advancing timeline and with clips from two dozen films. The narrative groups the pictures around various firsts, movements, and triumphs: experimental films, indie films, sex on screen, outlaw culture and bad guys, lesbian lovers, films about AIDS and dying, emergence of romantic comedy, transgender films, films about diversity and various cultures, and then mainstream Hollywood drama. What might come next?

 

Montag 01.12.2014 Schneiderberg 50 Raum V108 um 18 Uhr

„Maskulismus“ – organisierter Antifeminismus im deutschsprachigen Raum“

Vortrag mit Andreas Kemper

Seit zehn Jahren organisiert sich im deutschsprachigen Raum vorwiegend im Internet ein neuer moderner Antifeminismus. Die Protagonist_innen – hauptsächlich Männer – arbeiten an eine „männerrechtliche/ maskulistische“ Ideologie, nutzen aber vorwiegend den Antifeminismus als Vereinigungsideologie (Hinrich Rosenbrock). Seit mehreren Jahren finden neben den Internetaktivitäten auch Antifeminismus-Kongresse und Männerrechtskongresse statt. Spätestens seit dem Anschlag von Breivik versucht sich ein Teil der Maskulisten um den Publizisten Arne Hoffmann vom rechtspopulistischen Maskulismus abzuheben, indem eine „linke Männerpolitik“ propagiert wird, die in ihrem Kern allerdings anti-emanzipatorisch bleibt und die seit über dreißig Jahren bestehende profeministisch bzw. geschlechterdemokratisch ausgerichtete Männerbewegung ignoriert. Maskulisten dominieren die Kommentarseiten der Online-Auftritte von Tageszeitungen und Wochenmagazinen. Sie stellen als feministisch ausgemachte Journalist_innen, Wissenschaftler_innen und Politiker_innen im Internet an den Pranger und organisieren das Veröffentlichen von Frauenhausadressen, die sie als „Horte des Männerhasses“ bezeichnen. Zudem scheinen einige MaskulinistInnen in der Partei AfD, die sich offen gegen den „Gender-Wahn“ positioniert, eine parteipolitische Heimat gefunden zu haben. Letzteres ist nicht ganz konfliktfrei, weil die AfD vom antifeministischen Familialismus dominiert ist, der nur bedingt mit dem Maskulismus zu vereinbaren ist.

Im Vortrag wird die Szene der antifemistischen Maskulisten kritisch dargestellt und es gibt Raum für Nachfragen und Diskussionen.

 

Dienstag 02.12.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 um 18 Uhr

„…und wenn sie mich an die Wand stellen“

„Kriegsverrat“ von Soldaten in und aus Hannover 1933-1945

Buchvorstellung mit Ralf Buchterkirchen  

„Schade, dass es ihn nicht erwischt hat!“ Diese spontane Reaktion auf die Meldung über das misslungene Attentat auf Adolf Hitler kostet Hubert Breitschaft das Leben. Der Lehrer aus dem bayrischen Cham wird vom Feldgericht verurteilt und in Hannover-Vahrenwald erschossen.
Der Hannoveraner Robert Gauweiler, dem zur Last gelegt wurde, im Kameradenkreis gesagt zu haben: „Diesen Krieg verlieren wir“, wird von der Wehrmachtsjustiz in Dänemark zum Tode verurteilt und in Hamburg erschossen. So wie Breitschaft und Gauweiler erging es vielen. Die NS-Militärjustiz verhängte etwa 30.000 Todesurteile gegen Soldaten, die den Gehorsam verweigerten; mindestens 21.000 wurden vollstreckt.
Für Hannover – einen der fünf wichtigsten Rüstungsstandorte – hat dieses Kapitel der deutschen Geschichte besondere Relevanz. Am Waterlooplatz wurden Soldaten durch die Militärgerichtsbarkeit verurteilt, in Hannover-Vahrenwald, auf dem Gelände, wo sich heute die Emmich-Cambrai-Kaserne befindet, wurden sie hingerichtet und auf dem Fössefeldfriedhof in Hannover-Linden begraben. In jahrelanger Recherche wurden die Daten von 51 gehorsamsverweigernden Soldaten ermittelt, die aus Hannover kamen oder dort hingerichtet wurden. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Diese Soldaten sind die Hauptpersonen des vorliegenden Buches.
Statt sie anzuerkennen, wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg verunglimpft, ihr Schicksal verschwiegen und verdrängt. Bis zum Jahr 2009 hat es gedauert, dass der Bundestag auch wegen Kriegsverrats Verurteilte rehabilitierte. In den Jahren zuvor wurden bereits Verurteilungen durch die Wehrmachtsjustiz wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung für nichtig erklärt.
Eingereiht in eine Beschreibung der gesellschaftlichen und politischen Situation und im Anschluss auch an neuere Erkenntnisse der Geschlechter- und Männlichkeitsforschung wird nach den individuellen Beweggründen der Gehorsamsverweigerung gesucht. Herausgekommen ist eine facettenreiche Darstellung eines viel zu gern vergessenen Stücks deutscher Geschichte.
In Hannover erinnert heute nur ein fast nicht mehr kenntlicher Stein an das Schicksal der Deserteure.

 

Donnerstag 04.12.2014 Schneiderberg 50 Raum V111 um 18 Uhr

Die Uhr, die nicht tickt – Kinderlos glücklich“

Buchvorstellung mit Sarah Diehl

„Wenn meine biologische Uhr mir etwas sagt, dann, dass ich im besten Alter bin, dieses Buch zu schreiben.“

Immer mehr Frauen bleiben freiwillig kinderlos, nicht nur in Deutschland. Aber das Reden über die biologische Uhr ist so allgegenwärtig, dass Frauen sich selbst misstrauen, wenn sie die Uhr nicht ticken hören. Sie zweifeln ihre eigene Entscheidungsfähigkeit an, weil ihnen vermittelt wird, dass sie etwas anderes wollen müssen. Geht es ums Kinderkriegen, wird unbeirrt festgehalten an der Vorstellung vom angeborenen Mutterinstinkt und an der Idee vom allein seligmachenden Glück der Kleinfamilie. Politik und Gesellschaft bauen demografische und biologistische Schreckgespenster auf, um an alten Familienkonzepten und Geschlechterhierarchien festhalten zu können, so dass kein Kind zu wollen als unnatürlich, egoistisch und feige gilt. Sarah Diehl plädiert für ein Umdenken in Bezug auf Weiblichkeit, dem solidarischem Zusammenleben, Pflegearbeit und für die Vielfalt der Lebensmodelle.