PM: Polizei raus aus der Uni!
Ende Juni hat die Leibniz Universität Hannover (LUH) eine dauerhafte Kooperation mit der Polizeidirektion Hannover im IT-Bereich vereinbart, um zukünftig in Forschung, Entwicklung und Ausbildung zusammen zu koordinieren. Dabei hat sich die Studierendenschaft wiederholt gegen solche Kooperationen ausgesprochen.
Bereits in der Vergangenheit war im “Software-Projekt” des Informatik-Bachelors die Polizei eine mögliche Partnerin für ein praktisches Programmier-Projekt. Dabei wurden bereits Programme entwickelt, die bei der “Personenrecherche im Internet, bei einer E-Mail-Postfachanalyse oder auch bei der lückenlosen Sicherung einer Webseite” helfen sollen. Nachdem sie aufgearbeitet wurden, werden sie heute von Europol verwendet und den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt.
“In Zeiten von NSU 2.0 sollten wir uns ernsthaft fragen, ob die Polizei über noch mehr automatisierte Überwachung per Mausklick verfügen sollte!” sagt Tobias, Pressereferent des AStA, dazu.
Zukünftig geht es weiterhin um die automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen, aber auch um digitale Spurensicherung – die z.B. auch bei Fahrzeugelektronik einen hohen Beweiswert habe. Ziel der Kooperation ist es, Forschung, Entwicklung und Ausbildung (!) gemeinsam zu koordinieren. Auch Hospitationen und Praktika sollen ermöglicht werden. Inhaltlich ist Prof. Dr. Kurt Schneider vom Fachgebiet Software Engineering für die Kooperation verantwortlich.
In ihrer Veröffentlichung hat die LUH treffend festgestellt, dass die Kooperation “bei dem einen oder der anderen für Verwunderung sorgen könnte”. Die Studierenden haben sich auf ihren Vollversammlungen immer wieder für eine Zivilklausel ausgesprochen, um genau solche Forschung zu verhindern. Historisch richten sich Zivilklauseln vor allem gegen militärische Projekte, aber im letzten Beschluss der Studierenden wurde sich auch gegen andere Kooperationspartner*innen ausgesprochen, “die für Aufrüstung, (Waffen-)Gewalt und Überwachung verantwortlich sind” – und damit eindeutig gegen die Polizei.
“Die Gleichzeitigkeit von offen agierenden Faschist*innen in staatlichen Institutionen, fehlendem Aufklärungswillen und technologischer Aufrüstung ist gruselig, damit soll unsere Uni nichts zu tun haben!” sagt Gerald Wiese (Sachbearbeitungsstelle „Zivilklausel“ beim AStA).
In letzter Zeit häufen sich Berichte über Polizeigewalt und mangelnde Aufarbeitung:
- Nach Protesten für George Floyd: Zahlreiche Videos belegen die Alltäglichkeit rassistischer Polizeigewalt auch in Deutschland.
- Laut “Death in Custody” sind mindestens 159 Menschen, die von Rassismus betroffen sind, in den letzten 30 Jahren in (Polizei-)Gewahrsam gestorben. Z.B. ist Amad A. 2018 imGefängnis Kleve verbrannt – 6 Wochen vorher wusste die Polizei bereits, dass er verwechselt wurde und demnach hätte freigelassen werden müssen. 15 Jahre, nachdem Oury Jalloh im Polizeigewahrsam in Dessau verbrannt wurde, verweigern auch heute noch alle Behörden die Aufklärung des Mordes.
- Der einzige Polizist, der nach G20 vor Gericht stand, hatte eine Bierdose auf seine prügelnden Kolleg*innen geworfen. Während Demonstrant*innen für Vergleichbares im Gefängnis sitzen, wurde er freigesprochen. Wegen Polizeigewalt gegen Demonstrant*innen, Anwohner*innen, Journalist*innen, etc. gab es keinen einzigen Prozess.
- Nach der Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz bekamen jetzt auch die Politikerinnen Janine Wissler, Martina Renner und Anne Helm sowie die Kabarettistin İdil Baydar Morddrohungen vom NSU 2.0 – Daten dafür kamen von Dienstcomputern der Polizei. Mittlerweile sind mehr als 70 Drohmails verschickt worden. Von einem pensionierten Polizisten, der für sechs dieser Mails verantwortlich sein soll, wurde nicht mal das Smartphone beschlagnahmt.
Auch beim NSU war die Rolle der Polizei erschreckend: Familien von Mordopfern wurden auf rassistische Weise verdächtigt, kriminell zu sein und endlos schikaniert. Dabei haben sie von Anfang an auf mögliche faschistische Tatmotive hingewiesen, die aber nicht ernst genommen wurden. Stattdessen wurden die Familien angefeindet.
Dass die Polizei Stuttgart nach den Krawallen die Staatsangehörigkeiten der Eltern der Verdächtigen ermitteln will, zeigt wieder einmal, dass die Herkunft für die Polizei wichtig für ihre Ermittlungen zu sein scheint.
All das sollte bedacht werden, wenn die Polizei ihre Arbeit effizienter machen will. Letztendlich machen solche Programme auch dem NSU 2.0 und anderen Neonazis in den Reihen der Polizei das Ausspähen ihrer Feinde effizienter. Statt (unbezahlt) für die Polizei zu arbeiten und ihr Image aufzupolieren, sollten wir lieber die aktuelle Kritik an ihr ernst nehmen und die Kooperation einstellen.